Über Buchstabenmenschen in Bilderwelten, verträumte Chausseen und futuristische Fluggeräte…

Manchmal habe ich Zeiten, in denen mein Kopf zwar voller Buchstaben ist, aber irgendwie bekomme ich sie nicht in die Tastatur und schon gar nicht in einer für andere Menschen verständlichen und  sinnvollen Reihenfolge. Es scheint, als würde sich mein Gehirn – vor allen Dingen, wenn ich gerade viel male – der Wortsprache einfach verweigern.

 

Workshops für Buchstabenmenschen

Und es ist ja auch ganz sicher genau so, da beide Tätigkeiten sehr unterschiedlich sind, kann man wohl davon ausgehen, dass sie in ebenso unterschiedlichen Bereichen des Gehirns statt finden.

Und hopplahopp bin ich schon bei den kreativen Teamevents gelandet; mein allgegenwärtiges Lieblingsthema neben der Kunst.

Die Landkarte

Die meisten Menschen malen oder zeichnen nicht über viel Jahre jeden Tag (eine Tatsache, worum ich sie manchmal beneide), sondern arbeiten, denken und kommunizieren mit Buchstaben.

Also kann man davon ausgehen, dass ihre Gehirne vollkommen anders „trainiert“ sind, als das, was ich im Kopf mit mir herum trage. Die Anteile in meinem Gehirn, die für die Malerei bzw. meine Art der Kreativität wichtig sind (visuelle Wahrnehmung, Auge-Hand Koordination etc.) sind vermutlich bestens ausgebildet und jederzeit abrufbar, meine Landstraßen hingegen, die in die Buchstabenwelt führen, sehen zwar sicherlich sehr romantisch aus – ich stelle sie mir, als Chaussee mit großen, alten Bäumen vor – aber in ihrer Funktion sind sie leider so gar nicht mehr auf dem neuesten Stand.

Sie sind für gemütliche Ausfahrten per Kutsche geeignet, aber wenn ich mit einem modernen Vehikel einfach nur schnell von einem zu einem anderen Ort gelangen möchte, dann wird diese überaus holperige Fahrt ziemlich schnell unerträglich.

Farben im Kopf

Malen! Ja malen kann ich! Strassen brauche ich erst gar nicht, denn die malerische Landkarte in meinem Kopf ist voller Flughäfen und Hubschrauberlandeplätze. Das geht schnell und das ist das Tempo, das ich beim Malen brauche. Manchmal bin ich sogar mit mehreren Fluggeräten gleichzeitig unterwegs und Wehe, wenn mein innerer Fluglotse gerade nicht aufpasst, oder sogar streikt; dann kann es nämlich zu Abstürzen kommen, die sehr zerstörerisch sein können.

Zum Glück passiert das nicht mehr sehr oft, denn mein Lotse ist inzwischen auch in die Jahre gekommen und erledigt seine Aufgabe mit routinierter Gelassenheit.

Schlafende Synapsen

Aber zurück zu den Workshops. Nehmen wir einmal an, dass das, was ich oben beschrieben habe, tatsächlich zutrifft und wir alle bestimmte Gehirnbereiche bevorzugt benutzen, wohingegen andere Bereiche wegen dauerhafter „Nichtnutzung“ und vernachlässigter Instandhaltung, im Laufe der Zeit sogar vergessen, für welche Aufgaben sie vor langer Zeit vorgesehen waren.

Dann wäre es doch eine gute Idee, wenigstens zwischen durch mal zu schauen, ob man die eingeschlafenen Synapsen nicht doch noch irgendwie wach bekommt? Und wenn bei mir eher die Buchstabenwelt vom Zerfall betroffen ist, könnte es nicht ebenso gut sein, dass bei den vielen Buchstabenmenschen die malerischen Chausseen verwahrlosen?

Ich weiß von mir, dass ich nur wenige Tage und etwas Geduld brauche, um wieder schreiben oder sprechen zu können. Das habe ich nun oft genug erlebt, denn niemand kann es sich leisten auf Dauer auf Buchstaben zu verzichten.

Kindsköppe

Aber kann man es sich leisten, die Kunst im Kopf einschlafen zu lassen? Die kindliche Freude an Farben und Formen, kann man die tatsächlich vergessen bzw. unter gigantischen Bergen von To Do Listen, Geschäftsberichten und Steuererklärungen begraben?

Viele Menschen scheinen das zu glauben, auch wenn sie insgeheim etwas vermissen bzw. das Gefühl haben, dass ihnen etwas sehr wichtiges verloren geht.

Ich jedenfalls glaube nicht, dass man ohne diesem kindlichen Spieltrieb leben kann. Zumindest nicht dann, wenn man vom Leben etwas mehr erwartet, als es nur irgendwie hinter sich zu bringen; Tage, Monate, Jahre wie erledigte Posten auf dem großen To Do Zettel des Lebens abzuhaken ist nicht die Erfüllung, nach der wir uns alle sehnen.

Und deshalb.

Genau deshalb mache ich die Workshops. Und so verstehe ich auch die unermäßliche Freude, die ich bei allen TeilnehmerInnen fühle. Es ist das Glück des Wiederfindens, die Wohligkeit des Erinnerns und die Gewissheit der Kindertage: es wird alles gut!

Darum geht es in den Workshops. Um nicht mehr und schon gar nicht weniger!