Es gibt viele Begriffe, die bis zur Unkenntlichkeit verschlissen sind – einer von ihnen ist das Wort „Kreativität“.
Ethymologisch wurzelt das Wort im Lateinischen (creare) und bedeutet ursprünglich „etwas neu schöpfen“.
Aber ist es nicht so, dass alles Neue das Alte verdrängen muss?
Hat Neuschöpfung nicht auch sehr viel mit Zerstörung zu tun?
Kreativität mag keine Regeln, keine Sicherheiten; sie kommt und geht wie ein Naturereignis und wenn es ihr nicht erlaubt wird, sich in einer produktiven Form zu äußern, dann wird sie sogar zerstörerisch, vernichtend und grausam.
Chaos und Entgrenzung, Enthusiasmus und die Bereitschaft alles Bekannte hinter sich zu lassen, sich couragiert auf völlig unbekanntes Terrain begeben, all das ist meiner Ansicht nach nötig, um neue Ideen zu finden bzw. in dem selbstgeschaffenem Chaos etwas vollkommen Neues zu entdecken.
Aber wer wird schon freiwillig den sicheren Boden unter seinen Füssen gegen einen unendlichen Abgrund tauschen? Die scheinbare Geborgenheit in der Welt der bekannten Dinge verlassen, um in der Konturlosigkeit eines dichten Nebels Gefahr zu laufen sich aufzulösen?
Kinder tun es.
Sie zerstören voll zorniger Wollust ihre wundersamen Lego- Bauwerke, um sie sogleich wieder mit der gleichen Lust neu aufzubauen.
Sie wissen um die Vergänglichkeit der Dingwelt und sie fürchten sie nicht, der Untergang ist Teil des Spiels, des großen Werdens ihrer Welt.
Bis zu dem Tag, an dem sie beginnen mühsam nach Anleitung zu bauen.
Ab hier bekommen die Bauwerke scheinbar einen besonderen Wert, der festgehalten werden will.
So werden die nach Vorschrift erstellten Kopien einer ursprünglich kreativen Idee, zunächst im Regal und irgendwann auf dem Dachboden verstauben.
Mit ihnen leider auch oft der Mut, die Neugierde, die Experimentierfreude und die Risikobereitschaft, die nötig sind, um sich auf die Suche nach Innovationen zu begeben.
Anstatt dem Lebensfluß zu erlauben, sich seinen eigenen Weg zu suchen, wird von nun an Kanalisiert, geplant und gesteuert, angepasst und in komfortable Bahnen gelenkt.
Kreativität existiert nur noch als plakative Überschrift ohne Gehalt; kraftlos und blass tümpeln verborgene Sehnsüchte im lauwarmen Teich der Gewohnheiten und der routinierten Handgriffe.
Der unbändige Löwe ist dressiert und eingesperrt, wird allenfalls hinter Gittern ängstlich bestaunt – Mensch ist „erwachsen“, endlich ist Ruhe eingekehrt, das Leben wird überschaubar, kontrolliert und sicher.
Riders on the Storm
Wieder einmal habe ich eine ganze Woche lang erleben dürfen, was geschieht, wenn die mentalen Begrenzungen aufgehoben werden, wenn beim Action Painting plötzlich alles erlaubt und möglich ist.
70 junge Studenten haben sich in Gruppen-Workshops zu je 10 Teilnehmern und am Ende alle 200 Gäste der Sommerakademie für integrative Medizin / Universität Witten-Herdecke (UWH) auf den „kontrollierten Wahnsinn“ beim Malen eingelassen.
Die Ergebnisse sind wilde Gesten einer schier grenzenlosen Power, vielschichtig und ungehemmt, furiose Manifestationen einer Urkraft, die sich so plötzlich nach langer Gefangenschaft in einer Explosion entlädt.
Sie ist also noch immer da, sie ist noch nicht ganz verschollen; die lebendige Lust der Kindheit an dem Wechselspiel zwischen Zerstörung und Neuschöpfung.
Nur braucht sie die entsprechenden Rahmenbedingungen, um sich voll und ganz zu entfalten und um sich in ihrer ganzen Schönheit zeigen zu können.
Eine werdende Schöpfung liebt die Freiheit!
Sie wird dort gerne sichtbar, wo sie strukturlose Weite und unendliches Vertrauen gepaart mit Offenheit findet.
Die menschliche Kreativität ist eine wilde, farbenvolle Tänzerin auf der großen Lebensbühne und es wäre sehr schade, wenn sie hinter all dem Alltagsgrau nicht mehr aufzufinden wäre!
inspirierend!!!
Danke.