Jetzt kann ich es endlich zugeben: ich habe Nietzsche noch nie gelesen.

Oft habe ich angefangen und das Buch gleich wieder mangels Interesse zur Seite gelegt. So ist mir natürlich ein großes Stück Kultur entgangen, aber es gibt ja die bekannten Zitate, mit denen man im Gespräch zur Not auch glänzen kann.

“Gott ist tot!” –  ist zum Beispiel hervorragend für intelligente Konversation über Religionen im Allgemeinen und auch Speziellen geeignet. Und ja, wie oft habe ich ein zustimmendes Nicken von Feministinnen erlebt bei der Erwähnung des berühmten “Peitschen- Zitats”, wenn es um die Missachtung und Abwertung von Frauen ging. „Wenn zum Weibe gehst, vergiss die Peitsche nicht.“ – eignet sich aber auch für zottige Kneipengespräche, die unter gleichgesinnten ein wohliges Augenzwinkern auslösen.
Natürlich habe ich mich der weitverbreiteten Meinung angeschlossen, dass Nietzsche allenfalls als zynisch/atheistischer Menschen- und Lebenshasser Bedeutung hat. Und na ja, er ist ja sowieso verrückt geworden, also was soll´ s.

So habe ich mich also jahrzehntelang geschickt um Nietzsche herumgemogelt, ohne mein Gesicht zu verlieren und immer mit einem passenden Zitat auf der Lippe.
Ich schäme mich zutiefst!

Endlich habe ich “Also sprach Zarathustra” als ungekürzte Lesung (wundervoll interpretiert von Axel Grube), gehört – 15 Stunden Hochgenuss für alle Sinne!
Es war eine Art Meditation. Ich habe hingehört, ohne die Worte für mich übersetzen, oder verstehen zu wollen, nicht Sinn und Zweck suchend, sondern lediglich aufnehmend, denn ähnlich wie Musik, greift die Wirkung von Nietzsche erst in der Tiefe, ohne dass man seinen Worten auf der Oberfläche der Wahrnehmung eine Bedeutung geben muss.
So sind beim Hören eine ganze Reihe Zeichnungen entstanden; ich wage es, sie etwas großspurig als Hommage zu bezeichnen, denn ich habe allen Grund bei dem großen Denker und Poeten postum um Vergebung zu bitten.
Nietzsche hat weit mehr verdient, als mit dem geschickten Einsatz von wenigen, völlig aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten lediglich zur Befriedigung der intellektuellen Selbstdarstellungs- Gier missbraucht zu werden.
Ecce homo (ebenfalls von dem großartigen Axel Grube vorgetragen) liegt schon bereit, denn ich habe Nietzsche als unendlich wohltuend/inspirative Quelle für mich entdeckt und bin nun süchtig nach dem Wortbild, das in die Tiefe geht.

Nietzsche, „Also sprach Zarathustra“,  Volltextlesung auf 7 Audio-CDs, Gesprochen von Axel Grube , Teile 1 u. 2 sowie Teile 3 u. 4 (mit Hörprobe)

Nietzsche „Ecce Homo“ Volltextlesung auf 4 Audio CDs, gesprochen von Axel Grube (mit Hörprobe)

Hier geht es zum Onomato Verlag mit weiteren Hörbruchproduktionen mit Axel Grube, u.a. Kleist, Kierkegaard, Hölderlin, Rilke und Kafka