Es ist Karfreitag und wie jedes Jahr an diesem Tag, bin ich ein wenig nachdenklich. Man muss nicht religiös sein, man muss kein Christ sein, ja sogar als Atheist kann man im Osterfest weit mehr Sinn finden, als die kalorienreiche Ankunft des Osterhasen.

Neubeginn – das Ende vom Ende

Es ist das Fest des Todes und der Auferstehung, das Sinnbild für allen Endes und Neubeginns. Und wie oft im Leben müssen wir loslassen, um neu zu beginnen, das muss nicht die extremste Form des Endes, der Tod sein.

Neubeginn

Wir sterben alle ein wenig in unserem Leben, meistens sogar mehrfach. Wenn die Kindheit vorüber ist und wir die Welt der Erwachsenen betreten, wenn wir verlassen werden oder selbst ehemals geliebten Menschen den Rücken kehren, wenn unsere Eltern aus diesem Leben scheiden und uns selbst an ihre Stelle rücken lassen, ja sogar der Verlust des Arbeitsplatzes kann einen kleinen Tod bedeuten, auf den jedoch der Neubeginn folgt.

Es ist nicht einfach, sich auf diesen ewigen Reigen einzulassen, sogar Jesus hat im Angesicht seines bevorstehenden Endes gehadert. Wir lieben das, was wir haben und das, was uns scheinbar sicher ist und fürchten alles Neue, alles Unbekannte. Wer tauscht schon gerne ein komfortables Leben gegen Ungewissheit und furchteinflößende Leere?

Nein, niemand tut es gerne.

Loslassen lernen

Und dennoch, wir sollten es lernen. Wir sollten lernen, dass auf das Ende immer ein Neubeginn folgt, wie der langersehnte Frühling mit all seinen bunten Wundern, den kalten und widerborstigen Winter jedes Jahr ablöst.

Das ist die eigentliche und wahre Botschaft des Osterfests; das Leben ist ein Reigen und wir tanzen zwischen all dem Hellen und Dunklen, Guten und Bösen, Schönen und Grausamen hin und her, uns an den Händen haltend und wir wissen, wer heute im Schatten steht, der wird morgen das Licht der Sonne auf seiner Haut spüren und wer heute verzweifelt ist, der sollte sich schon jetzt bereit machen, um das tröstende und hoffnungsvolle, was morgen auf ihn zukommen wird, mit seinem ganzen Herzen zu umarmen.

Denn das ist das, was wir alle so sehr lieben, das ist das, was wir Leben nennen.

An dieser Stelle möchte ich gerne an den wunderbaren Hermann Hesse erinnern, das ist mein „Ostergedicht“, das ist die Botschaft, die alle Herzen erreicht und alle Köpfe verstehen. Gleichgültig welcher Religion, Kultur, Alter oder sozialer Schicht wir angehören, eines haben wir alle gemeinsam: wir alle sind Menschen und wir alle tanzen zur Musik des Lebens.

Stufen

Neubeginn

„Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!“
Hermann Hesse

Und nein, ich habe keineswegs etwas gegen Osterhasen einzuwenden, ganz im Gegenteil, denn kann es etwas schöneres geben, als über all diese Lebensdinge nachzudenken und dabei fühlen, wie die zarte Süße der Schokolade die Geschmacksnerven erobert?

In diesem Sinne wünsche ich hoffnungsvolle und (be)sinnlich süße Ostertage.