Es sind die Erinnerungen, die uns zu dem machen, was wir sind und es geht im Leben nur um eines; irgendwann in weiter Ferne, wenn der letzte Tag kommt, mit einem Schmunzeln zurück zu blicken und zu sagen: „Alles war gut!“
Lebenskunst ist Über-Lebens-Kunst
Die Bindestriche in der Überschrift sind keineswegs als sprachlicher Schnick-Schnack zu verstehen, vielmehr spiegeln sie tatsächlich genau das wieder, worum es hier in diesem Artikel geht. Es geht um das Überleben von und mit der Kunst, es geht um Lebenskunst und um das Überleben im Leben an sich, denn wir Menschlein verbringen alle die meiste Zeit unseres doch relativ kurzen Daseins damit, unsere Existenz zu sichern.
Und damit ist nicht ausschließlich die materielle Absicherung gemeint, es geht auch durchaus bei uns allen um das emotionale Überleben, um die immer wieder quälende Suche nach einem Sinn und um die Antworten auf die großen Fragen: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Wer bin ich? Nein, sicherlich ist nicht jeder ein Philosoph und den meisten von uns wird es vielleicht nicht einmal bewusst sein, wie stark diese Fragen unseren Alltag bestimmen. Muss ja auch nicht. Und dennoch. Sie sind da, sie waren schon immer da und machen uns zu dem, was wir sind: Menschen.
Frau Malerin traut sich
Irgendwann Mitte der 80er Jahre haben mir immer mehr Freunde empfohlen, meine Bilder endlich zu verkaufen. Dieser Gedanke war mir lange Jahre suspekt, denn ich hatte zwar viel Leidenschaft und im Laufe der Jahre habe ich mir sogar als Autodidakt eine recht ordentliche handwerkliche Basis geschaffen, aber ich hatte keine akademische Ausbildung und dachte nicht, dass ich das Recht hätte, mich „Künstlerin“ zu nennen, geschweige denn, meine Bilder gegen Geld einzutauschen.
Irgendwann aber stapelten sich Bilder und Zeichnungen im Atelier und mir blieb nichts anderes übrig, als den Versuch zu wagen, sie an die Öffentlichkeit zu bringen. Das Naheliegendste war natürlich, dass ich mich an Galerien wende, von denen es schon damals in Berlin recht viele gab. Naiv, wie ich war, habe ich eine Mappe mit Bildern zusammen gestellt und bin losgezogen.
Der Gang zu den Galerien erwies sich als die reine Hölle. Meine Bilder waren dem einen zu dekorativ, dem anderen zu bunt, manchen einfach nur unpassend.
Und überhaupt Frau – was will eine Frau in der Kunst? Was ist wenn sie Kinder bekommt und aufhört zu malen? Sammler wollen das nicht. Sammler wollen sichere Anlagen. Und ohne akademische Ausbildung und ohne jemals Meisterschülerin von XYZ gewesen zu sein, sahen die Damen und Herren Galeristen keine Chance für mich, mich jemals in der Kunst etablieren zu können.
Eigentlich hätte ich damals aufhören müssen zu malen, denn all das war so demütigend, so erniedrigend und abwertend, dass ich mich heute noch frage, woher ich den Mut nahm weiter zu machen.
Aus Wut wird Mut
Und mit einem frechen:[highlight highlight_type=“bold“] „Ich werd´s euch zeigen!“ [/highlight]habe ich mich trotzig und wütend auf die Suche nach Ideen gemacht.
Wie schon gesagt, es war Mitte der 80er Jahre, die Welt war durch und durch analog, die Möglichkeiten auf sich aufmerksam zu machen, sehr eingeschränkt.
Da es mir nicht darum ging Ruhm und Ehre zu ernten, sondern um das nackte Überleben, kam mir dann schließlich die rettende Idee: Kleinanzeigen! Damals fing es an, dass man Neues und Gebrauchtes, Liebesdienste, Übersetzungen und Kinokarten in den Stadtmagazinen inserieren konnte.
In Berlin war es der Tip, später kam noch Zitty hinzu.
Die Anzeigen waren günstig und die Leser der Stadtmagazine genau die Sorte Mensch, die ich ansprechen wollte: Individualisten mit Lust auf etwas Besonderes.
Zum Bild links: „Milchtütenkartons“ gab es auf einer Rolle von 2m Breite. Das waren begehrte Druckabfälle, die man in einer Halle ergattern konnte, bevor sie recycelt wurden.
Der kleine Fuchs
Und es war richtig. Das war der absolut richtige Weg – zumindest für mich. Die Menschen kamen in mein Atelier und kauften Bilder. Es kamen alte und junge, reiche und arme, irgendwann habe ich Studententarife und Sonderpreise für allein erziehende Mütter eingeführt, dafür von den Anwälten und Ärzten etwas mehr verlangt.
Das erste Bild, das ich über die Anzeigen verkauft habe, hieß „Der kleine Fuchs“ und brachte mir 70 Mark von einem Studenten ein, der mich am nächsten Tag anrief, um sich noch einmal zu bedanken und um mir zu sagen, wie glücklich er ist.
Nach ihm kamen dann viele andere – zu den meisten stehe ich heute noch im Kontakt, aus vielen sind Freunde geworden; sie sind meine Wagenburg, wenn es mal wieder so richtig hart auf hart geht.
Sternenküsse
Heute – 30 Jahre und 15000 verkaufter Bilder später – bin ich sehr dankbar, dass ich diesen Weg gegangen bin. Es war und ist nicht immer einfach, es gibt schon immer noch zwischendurch Zeiten, die zum Verzweifeln sind. Aber gezweifelt habe ich nie!
15 000 Bilder hängen irgendwo auf diesem Planeten, sie begleiten Menschen in ihrem Alltag – bei großen und kleinen Ereignissen spenden sie vielleicht Trost und hellen dunkle Momente auf.
Ja, sie sind ziemlich bunt. Immer noch. Und dekorativ sind sie außerdem. Aber sie machen Menschen glücklich. Kann es etwas wichtigeres geben? Und ich habe 15 000 Geschichten, die ich erzählen könnte, unzählige erinnerungswerte Momente, an die ich denken kann – ein Leben, für das ich unendlich dankbar bin und immer sein werde.
Bis uns die Sterne küssen und die wilden Nebel uns umarmen, bleibe ich einfach und mit ganzem Herzen,
eure
Etelka, die Malerin
Liebe Etelka,
Du schreibst so wunderbar aus dem Herzen 😉 Dein leuchtendes Bild in meinem Büro bereitet mir viel Freude und hilft mir tatsächlich hin und wieder, trübe Gedanken aufzuhellen!
Es ist einfach schön, sich Dir beim Lesen Deiner Erinnerungen nahe zu fühlen, Du gute Seele. Möge Dein Workshop in meiner Umgebung in naher Zukunft Wirklichkeit werden!
Ganz liebe Grüße
Evelyn
Liebe Evelyn – vielen Dank für Deine Worte – lass das Leben weiterhin ordentlich leuchten und strahlen!