Was motiviert Künstler? – Bevor ich auf diese Frage eingehe, möchte ich etwas grundsätzliches sagen. Es gibt sicherlich viele Unterschiede zwischen Künstlern und Nichtkünstlern, diese darf man aber nicht, als einen Wettbewerb zwischen den Guten und den Besseren betrachten.
Talente und Eigenschaften
Wir alle verfügen über besondere Eigenschaften und Talente: Wir werden als Kinder gefördert und unterstützt und wenn dann auch noch ein wenig Glück hinzukommt, dann wird ein Leben sicherlich gelingen, egal ob als Busfahrer, oder als Verkehrsminister.
Man unterscheidet ja auch zwischen Juristen und Nichtjuristen, ohne damit eine Aussage über den Gerechtigkeitssinn, oder der menschlichen Qualitäten der jeweiligen Gruppe treffen zu wollen und zu können.
Künstler werden nicht deshalb so häufig bewundert, weil sie über göttliche Talente verfügen, sondern weil es von ihnen so wenige gibt. Die Evolution konnte zwar, wie es scheint auf die verträumten Spinner nicht ganz und gar verzichten, aber für das Überleben der Art sind die Eigenschaften, die man eher den Nichtkünstlern nachsagt, wesentlich relevanter.
Den wohl größten Unterschied findet man in der Arbeitsweise bzw. in der Motivation. Künstler handeln häufig aus der sogenannten intrinsischen Motivation heraus, wohingegen bei Nichtkünstlern eher die extrinsische Motivation zu Leistungen antreibt. Aber auch hier möchte ich darum bitten, die Künstler nicht in göttliche Höhen zu erheben und sie zu unermüdlich Schaffenden zu verklären, das ist zwar ein recht gängiges Klischee, dient aber lediglich als Projektionsfläche für die eigenen Sehnsüchte nach übermenschlicher Kraft und unendlichem Schöpfergeist.
Die Lust am Entdecken
Die Unterscheidung der Motivation ist keineswegs so zu verstehen, dass es einige wenige von uns gibt, die mit der intrinsischen Motivation ausgestattet, bereits kurz nach ihrer Geburt nach Pinsel und Leinwand schreien, um dem inneren Drang, Werke zu schaffen, nachgehen zu können, während die anderen erst dann damit beginnen, sich zu entfalten und die Möglichkeiten, die ihnen das Leben bietet, zu entdecken, wenn man ihnen nur ausreichend Schokolade als Belohnung anbietet.
Kinder lernen Laufen, weil sie einen Mangel an sich entdecken, nämlich, dass sie während alle anderen aufrecht auf ihren Füssen herumstolzieren, sie nur auf dem Boden krabbeln oder kriechen können. Sobald sie entdecken, dass sie durch die Unfähigkeit auf ihren zwei Füssen zu laufen, benachteiligt sind (z. B. weil das ältere Geschwisterchen, das schon laufen kann, ihnen immer zuvorkommt und das begehrte Spielzeug, das sich in einer entfernten Ecke des Kinderzimmers befindet, schneller in Besitz nehmen kann), werden sie alles dran setzen, dass sie diese offenbar wesentlich bessere Art der Fortbewegung, auch erlernen. Und mehr noch. Sie gehen bei ihren Lernschritten sehr konsequent und beharrlich vor, es ist nicht einfach ein einjähriges Kind davon abzuhalten zu laufen, wenn es das tun will. Der innere Trieb ist so stark, dass das Kind sogar bereit ist einiges an Leid in Kauf zu nehmen, nur um das ersehnte Ziel zu erreichen.
Die extrinsische Motivation wird etwas später erlernt und wie man als Eltern die eine oder andere Art des Antriebs fördern kann, darüber sind sich die Psychologen bis heute nicht einig. Auf jeden Fall wird unsere Motivation spätestens ab der Einschulung mehr und mehr von Lob und Tadel abhängen und das setzt sich dann über Studium und Berufsleben fort, bis wir uns gar nicht mehr vorstellen können etwas, was nicht in die Freizeit fällt, mit Lust und großer Freude zu tun, ohne dafür eine besondere Belohnung zu erhalten.
Kunst und Unabhängigkeit
Aber wie schon gesagt, ist die Art des Antriebs nicht für alle Zeiten festgeschrieben, denn es handelt sich eher um eine Haltung, als um eine genetisch vorgeschriebene Eigenschaft und Haltungen kann man verändern, dazu genügt es manchmal sogar, wenn man die selbst aufgestellte Falle, als solches erkennt und dann beseitigt.
Alles, was wir tun, könnten wir ebenso auch nicht tun. Es ist nur eine Frage, ob wir die Alternativen, die wir haben in Betracht ziehen. Wenn wir erkennen, dass es zumindest die Alternative des Nichttuns gibt, erkennen wir, dass wir alle unsere Entscheidungen, als selbstbestimmte Wesen fällen, also intrinsisch motiviert sind.
Diese innere Unabhängigkeit zu suchen, halte ich für eine sehr reife Form der Lebenskunst.
Selbstbestimmung als Lebensziel anzustreben lohnt sich für jede Berufssparte, denn ob Künstler oder Bilanzbuchhalter, hinter jeder Art von Arbeit steckt ein sich nach Erfüllung sehnender Mensch.
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