Sprache ist etwas wirklich wunderbares und es lohnt sich durchaus, sich hie und da ausgiebiger mit einem Wort zu befassen. Momentan beschäftigt mich das Wort“Zeit“ und bei näherem Hinschauen entdecke ich weit mehr, als lediglich eine Abfolge von Buchstaben, die entsprechend einem Konsens, für meine Zeitgenossen eine ähnliche Information enthalten, wie für mich. „Zeit“ gehört ursprünglich zu „teilen, zerschneiden, zerreissen“, was ich so verstehe, daß der Mensch den Weg auf dem er sich bewegt in überschaubare Teile zerlegt hat, um sich einigermaßen orientieren zu können. So gesehen ist Zeit eigentlich nicht viel mehr, als ein Wegweiser. Aber wohin zeigt es?

Zukunft

Ich stehe in meiner Gegenwart, schaue welche Ereignisse aus der Zukunft kommend an mir vorüberziehen um in die Vergangenheit einzutreten? Das scheint mir zu wenig, dann wäre ich nur Publikum und schon längst zu einem großen Erinnerungsspeicher erstarrt.

Also gehe ich vielleicht? Repräsentiert „Zeit“ meine Bewegungen durch das Leben? Das klingt weit erwachsener und selbstbestimmter, bürgt allerdings auch viele Risiken.

Gehen heisst den festen Standpunkt verlassen, während das eine Bein in der Luft schwebt, muss das andere Bein das Gewicht meines ganzen Körpers auffangen und geschickt ausbalancieren, damit ich nicht stürze. Aber ich habe Vertrauen. Ich habe die Erfahrung, daß meine Beine dieses Wunder durchaus vollbringen können. Ich muss nur das Tempo beachten und Schritt für Schritt die Richtung bestimmen.

Aber wenn ich das Gehen in der Zeit als Metapher akzeptieren kann, dann stimmt es ganz und gar nicht mit meinem gewohnten Weltbild überein, denn wo ist die Gegenwart geblieben? Was ist das, was wir gerne Wirklichkeit nennen? Mit einem Bein stehe ich in der Vergangenheit und bewege mich Richtung Zukunft, für den Bruchteil eines Augenblicks berühren meine Füsse vielleicht gleichzeitig den Boden, aber genügt das tatsächlich, um von Wirklichkeit zu sprechen?

Nein, es genügt nicht. Auch wenn die Vorstellung vielleicht nicht sonderlich bequem und sicher scheint; Leben ist Bewegung und die Gegenwart ist lediglich eine Brücke zwischen einer Wirklichkeit, die bereits vergangen ist und den vielfältigen Möglichkeiten einer Zukunft, die noch nicht da ist. Das Leben ist also eine Aneinanderreihung von Instabilitäten und die einzige Stabilität entsteht durch Bewegung.

Eine „Gegenwart“, die die Illusion von stabiler Wirklichkeit verspricht, kann also nur der Tod sein; ich laufe lieber weiter und nehme in Kauf, daß ich auf dem Weg zu einem unbekannten Ziel stolpern könnte.

Ich bin wach und es ist Zukunft!