Geld und andere Werte – ich benutze mit voller Absicht das Wort „Geld“. Ich will mich nicht elegant um das Wort herummogeln, ich will es auch nicht liebevoll verniedlichen, ich nenne es ganz pragmatisch Geld, auch wenn es sich etwas vulgär anhört (oder vielleicht sogar genau deshalb).
Der 1. Tag des Monats ist ganz unspektakulär der, an dem die meisten Rechnungen fällig sind. Davon sind auch Künstler nicht ausgenommen, die Sicherung der materiellen Bedürfnisse ist auch für diejenigen ein ganz wesentlicher Bestandteil des Lebens, von denen man gerne denkt, sie würden von „Luft und Liebe“ leben. Es gibt eine handvoll Superstars in der Kunstszene, die sich über Geld keine Gedanken machen müssen, den wenigen jedoch steht eine Unzahl an begabten Künstlern gegenüber, die es nie geschafft haben mit dem, was sie am besten können auch ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ich gehöre zu einer beinahe nicht nenneswerten Minderheit (laut BBK max. 4 %), die ihren Lebensunterhalt durch ihre künstlerische Arbeit verdienen können.
Diese traurige Statistik gilt übrigens nicht nur für die bildende Kunst, bei Schauspielern, Musikern, Schriftstellern sieht es ähnlich aus. Der Markt selektiert gnadenlos und ein engagierter Schauspieler kann sich den Luxus auf den Brettern, die die Welt bedeuten zu stehen, zumeist nur über Rollen in belanglosen Vorabendserien erarbeiten.
Mein Weg war von Anbeginn an klar, es war nie die Galerie Szene, die ich anziehend fand. Ich habe den Kontakt zu den Menschen direkt gesucht. Als ich in den 80ern anfing für Unternehmen zu arbeiten, tat ich es zunächst zugegebenermaßen aus finanziellen Gründen. Ich habe gearbeitet und dafür habe ich Geld erhalten. Ganz einfach. Im Laufe der Jahre jedoch gesellte sich zu den ursprünglich rein materiellen Beweggründen noch etwas anderes hinzu: ich bekam Einblicke in Arbeitswelten, die mir völlig fremd waren, wurde mit Haltungen konfrontiert, die für mich völlig überraschend waren, denn bis dahin habe ich geglaubt, dass jede Arbeit Spaß macht, Lernmöglichkeiten bietet und genauso leidenschaftlich erledigt wird, wie ich meine Arbeit erlebe. Bis heute kann ich nicht verstehen, wie man einen Großteil der Lebenszeit in eine Beschäftigung investieren kann, nur um dafür lediglich Geld zu erhalten.
Geld und andere Werte
Geld an sich ist vollkommen uninteressant und nutzlos. Heutzutage ist Geld sogar noch viel surrealer, als je zuvor, denn meistens handelt es sich um virtuelle Zahlenkolonnen, die sich auf Bildschirmen hin und herschieben. Wer bereit ist für so etwas imaginäres das kostbarste herzugeben was er hat, nämlich Lebenszeit, der muss doch eigentlich verrückt sein.
Geld wird nur dann interessant, wenn man die immateriellen Aspekte betrachtet. Ich arbeite nicht für Geld, sondern für meine Unabhängigkeit und für das Gefühl etwas wertvolles zum Wohlergehen der Gemeinschaft in der ich lebe, beizutragen. Meine Arbeit gibt mir die Möglichkeit dauerhaft zu lernen, mich selbst zu erfahren und an den Herausforderungen zu wachsen.
Das erhaltene Geld investiere ich nicht in Miete, sondern in das Gefühl geborgen zu sein; die Krankenversicherung ist die Sicherheit, im Notfall Hilfe zu erhalten: Kleidung ist weit mehr, als die Bedeckung der Nacktheit, oder Schutz vor Wetter, Kleidung ist Selbstinszenierung und Kommunikation.
Ich könnte noch endlos aufzählen, welche Wirkung Geld haben kann, aber ich denke, das kann jeder für sich tun.
Es geht mir lediglich darum anzuregen darüber nachzudenken, ob es nicht gesünder wäre anstatt für Geld, für all das zu arbeiten, was Geld möglich macht.
Muss oder will?
Viele Menschen glauben leider, dass sie arbeiten, weil sie arbeiten müssen. Das bedeutet eigentlich, dass sie viele Jahre ihres Lebens damit verbringen etwas lästiges zu tun, was sie eigentlich gar nicht tun wollen. Das ist natürlich keine gute Grundhaltung, um das Leben als erfüllend und beglückend wahrzunehmen. Sicher gibt es viele Zwänge, denen wir alle folgen müssen, mir persönlich jedoch erscheint es sinnvoller, wenn man aus dem „muss“ ein „will“ macht. Das gelingt ganz einfach, wenn man nicht das Geld als Gegenleistung für die Investition von Lebenszeit betrachtet.
„Ich arbeite, weil ich Geld verdienen muss.“ fühlt sich nicht annähernd so gut an wie z. B. „Ich arbeite, weil ich für mich selbst (und für meine Familie) die Verantwortung übernehmen will!“
Wenn die Einsicht gefunden wird, welche Werte sich hinter „Arbeit“ oder „Geld“ verbergen, dann kann ein Leben nur gelingen. Scheitern tut nur der, der nicht in der Lage ist seine Sicht, seine Perspektive zu ändern. Und das Beste daran ist, dass die Änderung des Blickwinkels völlig kostenlos ist.
Wir alle haben die Freiheit zu entscheiden, ob wir uns Zwängen fügen, weil wir müssen, oder ob wir erkennen, dass wir (frei-willig) Regeln befolgen, weil sie jede Menge Vorteile bieten.
Beim ersten Absatz lächelnd an den Verlegenheitsbegriff „Ausgleich“ gedacht. Ist in Kreisen üblich, die geistig über den Notwendigkeiten stehen wollen 😉