Der zweite Teil eines Interviews über die Action Painting Workshops, das ich vor einigen Jahren gegeben habe. Bei diesen Fragen und Antworten geht es um das Verhalten der TeilnehmerInnen und um die Interpretation ihrer Bilder. Ich bin erstaunt, wie aktuell meine Antworten sind, auch wenn ich heute einiges anders formulieren würde, bietet das Interview doch relativ gute Einblicke.
Fragen zu den Action Painting Workshops – zweiter Teil
Öffnen sich die Teilnehmer durch den Workshop? Wenn ja, warum?
Die Teilnehmer öffnen die Türen zu Arealen, die sie im Alltag nur selten betreten. Der Verstand ist der scheinbar zuverlässigste Partner, wenn es um rationale Entscheidungen geht. Nur sind rationale Entscheidungen nicht immer die Besten, beim Action Painting sind sie sogar hinderlich. Action Painting ist der spontane Ausdruck einer aktuellen Stimmung, es ist sehr emotional, der Verstand wird möglichst ausgeschaltet. Die Kanäle zum Unbewussten werden nach und nach freigelegt. So haben die Teilnehmer die Möglichkeit, sich selbst in einer Form zu erleben, wie sie sich sonst aus dem Alltag nicht kennen. Action Painting ist eine rein intuitive Tätigkeit. Das Malen findet in einem so schnellen Tempo statt, dass der Verstand keine Chance hat die prozesshaften Veränderungen im Bild zu bewerten. Es ist ein ähnliches Erleben, wie in Notsituationen, in denen das Gehirn plötzlich und spontan zu Lösungen kommt, die mit den Mechanismen des Verstandes undenkbar wären. Dadurch, dass der Verstand in den Hintergrund rückt, hat der Malende die Möglichkeit, Erfahrungswissen aus dem Unbewussten auf die Oberfläche zu holen.
Kann man anhand der Herangehensweise an das Bild Rückschlüsse auf das Wesen des Teilnehmers ziehen?
Das kann man ganz sicher, aber erstens würde eine psychoanalytische Betrachtung der Bilder den Rahmen des Workshops sprengen und zweitens würde ich damit die Grenzen meiner Kompetenzen überschreiten. Meine Aufgabe ist es, die Teilnehmer zu motivieren, sie zu ermuntern etwas zu tun, was sie sich eigentlich nicht zutrauen, ein wenig handwerklich zu unterstützen und sie hie und da zu inspirieren, etwas selbst zu erkennen. Ich bin mir ganz sicher, dass jeder genau das lernt und für sich mitnimmt, was er gerade braucht. Auch ohne, dass ich als Impulsgeberin mit dem therapeutischen Zeigefinger winken muss.
Wie beurteilen die Teilnehmer ihre Bilder? Hat die Beurteilung viel mit ihrem Charakter zu tun?
Die Beurteilung der eigenen Bilder hat sehr viel mit inneren Unsicherheiten und Abhängigkeiten zu tun. Es gibt Teilnehmer, die weit weniger auf die Zustimmung der Gruppe angewiesen sind, als andere. Deshalb ist es auch enorm wichtig, dass jeder Teilnehmer sowohl von der Gruppe, als auch von mir ein positives Feedback bekommt. Aber entscheidend ist eigentlich, dass das Erlebnis selbst extrem positiv bewertet und dies auf das Bild übertragen wird.
Wie verhalten sich die Teilnehmer in den Workshops untereinander?
Gleich zu Beginn des Workshops wird klar, dass alle sehr aufgeregt sind. Ich gestehe der Gruppe, dass ich auch furchtbar Lampenfieber habe, weil jeder Workshop anders ist und ich mich nie vorbereite, damit ich mich spontan auf die Stimmung einstellen kann, die durch die jeweiligen Teilnehmer erzeugt wird. Das schafft ein Gefühl von wertschätzender Solidarität, die Stimmung ist nicht rivalisierend sondern kooperativ. Das hat sogar eine starke Auswirkung auf mitgebrachte Konflikte, die eventuell dauerhaft aufgelöst werden können, ohne dass jemand schlichtend eingreifen muss.
Regt der Workshop zu Kommunikation an?
Schon die Tatsache, dass jeder den gleichen blauen Overall trägt, regt die Kommunikation an, denn alle Arten von Hierarchien und äußerlichem Status sind für die Zeit des Workshops aufgehoben. Die Teilnehmer begegnen sich auf Augenhöhe; im Vordergrund steht der ganze Mensch und nicht nur der Teil, der im komplexen Alltag einer Organisation, in dem jeder seinen Platz und seine Funktion hat, notwendigerweise gezeigt / gelebt wird.
Überwinden die Teilnehmer durch den Workshop Grenzen?
Dadurch, dass die gewohnten Denkrillen, Glaubenssätze, Vorurteile und Vorbehalte aufgehoben werden, findet automatisch eine Entgrenzung statt. Die Selbstvergessenheit, mit der die Teilnehmer ihr Bild bearbeiten führt sie kurzzeitig in eine bis dahin unbekannte Weite.
Was mögen die Teilnehmer an dem Workshop besonders?
Die Entdeckung, dass da neben dem Verstand noch eine ganze Menge andere äußerst machtvolle Ressourcen zur Verfügung stehen ist für die Teilnehmer eine unglaubliche Bereicherung. Und sie haben dies sogar in einem Bild manifestiert, das sie für viele Jahre begleiten wird. Action Painting ist wie singen; es macht sehr viel Freude, regt das Belohnungssystem an, das Gehirn schüttet jede Menge Glückshormone aus und man muss nicht unbedingt ein Opernstar sein, um sich an dieser Fähigkeit zu erfreuen.
Hinterlassen Sie einen Kommentar